Die Generation Y macht’s vor
Vor einigen Wochen besuchte ich die Fotoausstellung „Shoot! Shoot! Shoot!“ in Oberhausen – eine wirklich tolle und gelungene fotografische Zeitreise durch die 60er und 70er Jahre.
Doch hier zeigte sich wieder einmal: Wenn auch bestimmte Dinge unverändert bleiben, der kontinuierliche Wandel findet sich überall. Während die Schwarz-Weiß-Fotografie und der Personenkult uns auch heute noch begleiten, haben sich die Mode, wie auch die bewunderten Typen deutlich gewandelt.
Ähnlich ist es auch mit dem Verständnis von Führung: Führung gab es schon immer und wird es immer geben. Doch heute funktioniert sie nach anderen Mechanismen und braucht nicht nur in der Arbeitswelt 4.0 neben der Führungskraft auch den verantwortungsbewussten Mitarbeiter.
Die Generation Y macht es vor
Etwas zugespitzt ist die Aufteilung im klassisch hierarchischen Führungsstil klar: Der Vorgesetzte denkt, aber arbeitet nicht, während der Mitarbeiter arbeitet, aber nicht denkt. Was in den 60er Jahren innerhalb stark untergliederter mechanistischer Arbeitsprozesse noch funktioniert haben mag, entspricht wohl kaum mehr einer modernen Denkweise vom Arbeitsverhältnis zwischen Mitarbeiter und Führungskraft. Und vor allem: Es entspricht nicht den heutigen Erwartungen des Nachwuchs, für den der Chef nicht mehr Kontrolleur, sondern vor allem Mentor und Coach für die persönliche und unternehmerische Entwicklung sein soll.
Gerade diese Erwartungen zeigen, dass Führung in beide Richtungen möglich ist, wenn – ja, wenn nicht nur die Führungskräfte, sondern auch die Mitarbeiter sie „richtig“ umsetzen. Und genau hier liegt der Hund meist begraben. Denn Führung braucht Sie als Mitarbeiter, der selbst in Aktion tritt und sich und sein Umfeld aktiv gestaltet, statt nur auf Vorgaben „von oben“ zu reagieren. Also: Auch Sie dürfen und sollen Verantwortung übernehmen – und dazu gehört, dass Sie Ihren Chef führen.
Zweigleisig – aber richtig!
Abgesehen von Kommunikationsregeln, die Sie einsetzen, um Ihren Standpunkt deutlich zu machen und zu verteidigen, oder die Sie verwenden um Transparenz herzustellen, schaffen Sie den Schritt in die Führung Ihres Chefs vor allem durch die richtigen Informationen und einem Positiv-Kreislauf:
Informationen einholen: Um Ihre Führungskraft bestmöglich zu unterstützen, brauchen Sie Informationen: Welche Ziele verfolgt sie? Welche Befürchtungen hat sie? Was ist ihr wichtig? Wie tickt sie? Und vor allem: Wie können Sie sie unterstützen? Wofür ist Ihre aktuelle Aufgabe wichtig? Wenn Sie diese Informationen nicht haben, dann sorgen Sie dafür, dass Sie sie bekommen. Wursteln Sie nicht irgendwie weiter – das hilft weder Ihnen noch Ihrem Chef. Sondern fragen Sie solange nach, bis Sie alles wissen, um effektiv arbeiten und Ihren Chef unterstützen zu können.
Informationen geben: Ihr „Führungsanspruch“ gilt auch für Feedback oder Entscheidungen: Wenn Ihre Führungskraft Ihnen diese nicht von sich aus gibt, fragen Sie aktiv danach. Wenn Sie so Informationen erhalten, ist es auf der anderen Seite Ihre Pflicht als Mitarbeiter, die Führungskraft mit den nötigen Informationen zu versorgen. Dabei sollten Sie ihren Bedarf an Informationen so gut abschätzen können, dass Sie wissen, was für sie nötig ist. Und das liefern Sie ihr – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Selbst wenn Ihr Vorgesetzter glaubt, schon genug zu wissen, Sie aber anderer Meinung sind: Machen Sie weiter.
Die Story finden: Geben Sie Ihrer Führungskraft auch die Geschichte rund um Ihre Information: Sie braucht von Ihnen nicht nur die Details, sondern auch deren Einordnung in den Kontext. Sie wird Ihre Argumente und Ihren Standpunkt ungleich besser nachvollziehen können, wenn Sie ihr die ganze Story zu den Einzelteilen liefern.
In den Positiv-Kreislauf einsteigen: Um eine reibungslose Zusammenarbeit zu sichern, empfehle ich Ihnen, direkt bei der Übernahme einer Aufgabe in diesen Kreis einzusteigen. Quittieren Sie die neue Aufgabe und prüfen Sie, ob Sie den Auftrag richtig verstanden haben. Melden Sie ruhig zurück, was Sie verstanden haben, und lassen Sie sich dieses Verständnis bestätigen. Sie machen sich ans Werk und wenn Sie fertig sind, melden Sie Ihrem Chef den Vollzug. Damit schließen Sie den Kreis.
Viel zu oft findet dieser letzte Schritt keine Beachtung: Für den Chef verschwindet die Aufgabe gefühlt im Nirvana. Er weiß nicht, wo Sie damit stehen, ob Sie Schwierigkeiten haben oder längst damit fertig sind. Der Kreis schließt sich für ihn nicht. Das ist eine unbefriedigende Situation. Geben Sie die Rückmeldung auf jeden Fall, denn selbst wenn es Ihrem Chef nicht bewusst ist: Ein nicht geschlossener Kreis untergräbt das Vertrauen.
Ich hatte selbst einmal einen Vorgesetzten, der damals ganz frisch eine Vorstandsrolle übernommen hatte. Er stellte etwas überrascht und bedauernd fest, dass er auf diesem Level kaum noch Menschen hatte, mit denen er sich offen austauschen konnte. Und so nutzte er unseren Jour fixe regelmäßig für den Austausch, der ihm sonst in der neuen Rolle fehlte. Er sprach über 1.000 Themen und kam dabei von Hölzchen aufs Stöckchen. Nach wenigen Wochen wusste ich über alle möglichen Dinge Bescheid einschließlich der Oberfläche seines Wohnzimmerschrankes – nur mit meinen Themen und Entscheidungen waren wir nicht wesentlich weiter.
Also fing ich an, ihm vorab eine Agenda für unser Treffen zu schicken. Das half mir und ihm: Meine Themen kamen besser voran, weil er wußte, was in meinem Bereich aktuell wichtig war und welche Entscheidungen anstanden. Und er konnte mit dem Fortschritt in meinem Bereich punkten. Sie sehen also – von der Führung in beide Richtungen profitieren am Ende alle. Probieren Sie es doch einfach mal aus und berichten Sie mir von Ihren Erfahrungen.
Mit besten Grüßen
Ihre Sabine Dietrich